Dr. Jörn-Christoph Jansen leitete Protestkomitee in Plau am See
Im letzten Jahr beim Güstrower Einhandpokal habe ich Holger Dahnke vom Plauer Wassersportverein e. V. (PWV) versprochen, dass ich mal nach Plau am See komme, wenn es dort eine Meisterschaft gibt. Der Hintergrund war, dass ich oft in Röbel/Müritz – 2022 zwei Wochen für Masters- und Jugendeuropameisterschaft der Europe-Klasse –, aber niemals in Plau bin. Prompt kam die Einladung zu den Internationalen Deutschen Meisterschaften der Klassen Ixylon und 15er Jollenkreuzer. Um in Plau schon mal „zu üben“, folgte später die Einladung zum 18. Opticup kurz nach Himmelfahrt im Mai 2023. Aber darüber habe ich bereits geschrieben.
Nach der Weltmeisterschaft der Ynglinge hatte ich also 48 Stunden, um von der Fähre aus Gedser nach Plau zu kommen. Zwischendurch standen Aus- und Einpacken auf dem Programm. Da das Wetter ohnehin eher herbstlich war, war in den zwei Tagen auch nicht viel Besseres zu tun.
Beim Plauer Wassersportverein e. V. hatten 42 Ixylons und 35 15er Jollenkreuzer gemeldet. Letztere sind als „P-Kreuzer“ noch besser bekannt. Die gemeinsame Meisterschaft der 15er Jollenkreuzer und der in der DDR entwickelten, bis heute sehr beliebten Ixylon-Jollen, von der 4.000 Stück gebaut wurden, bringt nicht nur logistische Synergieeffekte für den kleinen, etwa 100 Mitglieder starken PWV, sondern hat auch wirtschaftliche Vorteile. Bei Meldezahlen unter 50 Booten sind Aufwand und Kosten zur Durchführung einer Meisterschaft für viele Vereine nur schwer zu realisieren. Wenn man zwei Klassen zusammenlegt, haben alle mehr davon – der Verein und die Segler.
Die Besetzung des Protestkomitees war eigentlich im Januar schon abgeschlossen. Neben mir als Obmann würde als Stellvertreter Rainer Heinrich (IJ, Hamburger Segel-Club e. V.) agieren. Des Weiteren sollten Utz Müller (Segelverein Neubrandenburg e. V.) und Jürgen Kitta (RJ, Warnemünder Segel-Club e. V.) uns unterstützen. Erst zwei Wochen vor der ersten Wettfahrt sprang außerdem Kai Erichsen (NJ, Schweriner Segler-Verein von 1894 e. V.) für einen Schiedsrichter aus Berlin ein, der kurzfristig absagen musste. Eine Woche vor Anreise in Plau wurde auch Utz Müller als Berufssoldat der Bundeswehr für knapp sechs Monate ins Ausland abkommandiert. Ihn sollte Olaf Wulf (NJ, Seglervereinigung Havel e. V.) ersetzen.
Am Dienstagmittag ging es also nach Plau. Vormittags hatte ich die Änderungsvorschläge des Protestkomitees zur Segelanweisung noch an Wettfahrtleiter Holger Dahnke gemailt. In Plau traf ich mich mit dem gesamten Protestkomitee und wir diskutierten unser Vorgehen für die kommenden vier Tage der Meisterschaften. Es waren zehn Wettfahrten für die Ixylons und sechs für die P‑Boote vorgesehen. Nach Bezug der Ferienwohnungen klag der Abend bei einem Imbiss aus.
Am Mittwochmorgen musste Olaf Wulf leider erkrankt abreisen, sodass wir fortan nur noch zu viert agieren würden, was die Meisterschaftsordnung (MO 14.3) ausdrücklich zulässt. So stellten wir das Protestkomitee auf dem Skippersmeeting auch vor. Zudem unterstrichen wir, wann wir protestieren und worauf wir auf dem Wasser besonders achten würden.
Gemeinsam mit Jürgen Kitta bildete ich am ersten Tag ein Team auf dem Wasser. Rainer Heinrich und Kai Erichsen bildeten das zweite Team. Während wir die Starts beider Klassen gemeinsam beobachteten, war jedes Juryteam in der Wettfahrt für eine Klasse zuständig. Jürgen und ich hatten in der ersten Wettfahrt die P-Kreuzer und in der zweiten die Ixylons. Zwei Wettfahrten waren für beide Klassen auch nur vorgesehen. Besondere Vorkommnisse gab es nicht.
Im Feld der 42 Ixylons kamen die Vertreter aus Mecklenburg-Vorpommern sehr gut zurecht. „Dauersieger“ Volker Schoen (Sternberger Seglerverein e. V.) gewann zusammen mit Claudia Müller (Lindower Regattasegler e. V.) beide Wettfahrten. Carolin und Gregor Zachäus (PWV) lagen mit den Plätzen 2 und 3 knapp vor Torsten Völker (Neustadt-Glewe), der mit Steuermann Mike Bartel (Lindow) die Plätze 4 und 2 ersegelte.
Bei den 34 P-Booten – ein Boot wurde vor dem Start verkauft und zog die Meldung zurück – war es gemischter. Christian Weber/Uwe Bertallot (Steinhuder Segler-Verein e. V./Hannoverscher Yacht-Club e. V.C) führten mit den Plätzen 2 und 1. Dahinter lagen mehrere Teams nur einen Punkt auseinander, darunter auch die Favoriten Uwe Lätzsch/Marc Romberg (Yachtclub Steinhuder Meer e. V./Potsdamer Yacht Club e. V.) und Wilfried Schweer/Olaf Bertallot (Steinhuder Segler-Verein e. V./Hannoverscher Yacht-Club e. V.).
Anhörungen hatten wir an diesem ersten Tag keine. Viele Segler nahmen auf dem Wasser ihre Strafdrehungen an. Bevor wir den Tag fast schon entspannt beim Imbiss mit den Seglern und dem Team des Wettfahrtkomitees ausklingen ließen, informierten wir uns noch über die Jugendarbeit des PWV, die beispielgebend in M-V ist – Aufräumen des Bootsschuppens und Spindkontrollen einmal pro Woche inklusive.
Für den Donnerstag waren heftige Stürme mit durchschnittlichem Wind um 25 Knoten und Böen bis 32 Knoten vorhergesagt. Die Windvorhersage sollte uns nicht enttäuschen und schon nach dem Frühstück wurde ‚AP über H‘ für zwei Stunden gezeigt. Das zusätzlich ‚H‘ zum ‚AP‘ bedeutete laut Segelanweisung ein Auslaufverbot für alle Teilnehmer. Wir nutzten die Zeit für diverse Fallstudien. Nach einer weiteren Stunde Startverschiebung sollte es endlich rausgehen. Die Windmessung hatte moderaten Wind um 15 Knoten und Böen bis 23 Knoten ergeben. Als gerade alle umgezogen und jeder auslaufbereit war, signalisierte das Wettfahrtkomitee ‚AP über A‘ und beendete den Tag vorzeitig. Der Wind hatte wieder auf 26 Knoten und Böen bis 32 Knoten aufgefrischt. Der Plauer See war schaumweiß.
Für den Freitag wurde der Ablaufplan geändert. Nicht nur das erste Ankündigungssignal wurde vorgezogen, auch die Zahl der Wettfahrten wurde für beide Klassen auf drei Tageswettfahrten angesetzt. Wie eigentlich schon für den Vortag geplant, bildete ich mit Kai Erichsen sowie Jürgen Kitta mit Rainer Heinrich je ein Team. In der ersten und dritten Wettfahrt beobachteten wir die Ixylons, dazwischen die 15er Jollenkreuzer. Für Jürgen und Rainer waren die Aufgaben genau umgekehrt. Der Wind hatte auf 6 Knoten abgeflaut. Die Welle war mit 0,2 m auf dem Plauer See kaum noch erwähnenswert. Wir registrierten zahlreiche Bootsberührungen ohne Schäden, so manche Berührung der Bahnmarken, aber fast immer auch die anschließenden Strafdrehungen. Nur bei einem Vorfall in der ersten Wettfahrt des Tages, bei dem sich ein Ixylon unter Schwarzer Flagge im dritten Startversuch in Lee am Pinnend noch reindrängeln wollte, die Bahnmarke berührte und ohne Annahme einer Strafe weitersegelte, sollte später für einen Protest durch uns selbst sorgen.
Volker Schoen/Claudia Müller (Sternberg/Lindow) festigten mit den Plätzen 1, 2, 1 die Gesamtführung bei den Ixylons vor Carolin und Gregor Zachäus (PWV), die die Plätze 2, 7, 3 ersegelten und Mike Bartel/Torsten Völker (Lindow/Neustadt-Glewe) mit den Einzelplätzen 3, 3, 12.
Bei der Meisterschaft der 15er Jollenkreuzer übernahmen Uwe Lätzsch/Marc Romberg (Steinhude/Potsdam) mit der Serie 2, 2, 1 die Gesamtführung vor Wilfried Schweer/Olaf Bertallot (Steinhude/Hannover), die mit 1, 1, 2 noch etwas besser segelten, aber am ersten Tag etwas schlechter waren. Von Platz eins auf Platz drei fielen Christian Weber/Uwe Bertallot (Steinhude/Hannover) zurück, die die Plätze 3, 6, 7 ersegelten.
Für uns wurde der Freitag arbeitsreich. Insgesamt sechs Anhörungen sollten es werden und keine war durch Schlichtung zu lösen. Wie erwartet endete unser eigener Protest wegen Verletzung der Regeln 31 und 2 mit einer nicht streichbaren Disqualifikation (DNE). Weil die Parteien nicht anwesend waren und später eine Wiederaufnahme beantragten, mussten wir erneut verhandeln. Weil es keinen guten Grund für die Abwesenheit gab, wurde der Fall jedoch nicht wieder aufgenommen. Ein weiterer Fall endete mit einer Disqualifikation wegen Verletzung von Regel 18.2(c)(1) und 18.2(b) und andere Fälle waren auch schlicht ungültig, u. a. weil im Protestformular nur gezeichnet, aber nichts geschrieben wurde. Nach über drei Stunden Anhörungen und Schreibarbeit hatten wir dann doch Feierabend und uns unsere Erbsensuppe mit Wiener Würstchen sowie ein Getränk redlich verdient.
Für den letzten Wettfahrttag sollte der Plauer See das komplette Kontrastprogramm zum zweiten Tag bieten. Wo zwei Tage zuvor Böen bis 32 Knoten das Wasser peitschten, war jetzt eine spiegelglatte See zu beobachten. Das Wettfahrtkomitee begann mit einem vorsichtigen ‚AP über H‘ plus eins, der später um eine Stunde verlängert wurde. Als sich auch um 12 Uhr kein Lüftchen regte und mancher sein Boot schon abbaute, beendete Wettfahrtleiter Holger Dahnke mit ‚AP über A‘ beide Meisterschaften.
Zum zehnten Mal ganz oben auf dem Podest bei einer Ixylon-Meisterschaft stand Volker Schoen vom Sternberger Segler-Verein e. V. In seinem Siegerboot mit Baujahr 1976 gewann er die Meisterschaft 2023 zusammen mit Claudia Müller vom Lindower Regattsegler e. V. Auf den zweiten Platz kamen Carolin und Gregor Zachäus vom Plauer Wassersportverein e. V.; Dritte wurden Mike Bartel und Torsten Völker vom Lindower Regattasegler e. V. bzw. Sportverein Fortschritt Neustadt-Glewe Abteilung „Segeln“ e. V.
Bei den P-Booten war es ein Dreifachtriumph aus Niedersachsen; alle drei Boote wurde auch in Steinhude gebaut. Der neue Deutsche Meister im 15er Jollenkreuzer Uwe Lätzsch (Yachtclub Steinhuder Meer e. V.) reiste direkt von der Internationalen Deutschen Meisterschaft der Drachen im Rahmen der Travemünder Woche zur Deutschen Meisterschaft der 15er Jollenkreuzer an den Plauer See. Zusammen mit seinem langjährigen Vorschoter Marc Romberg vom Potsdamer Yacht-Club e. V. gelang ihm zum zweiten Mal nach 2021 der Sieg bei einer Meisterschaft. Auf den zweiten Rang kam der siebenfache Meister im P-Boot Wilfried Schweer von der Steinhuder Segler-Vereinigung e. V. mit seinem Vorschoter Olaf Bertallot vom Hannoverschen Yacht-Club e. V. Das erfolgreiche Trio vom Steinhuder Meer komplettierte Christian Weber von der Steinhuder Segler-Vereinigung mit Uwe Bertallot vom Hannoverschen Yacht-Club e. V. an den Schoten.
Als Protestkomitee mussten wir eine halbe Stunde warten, ob es Anträge auf Wiederaufnahme von Verhandlungen des Vortages geben würde. Es gab aber keine, also räumten wir unseren Juryraum auf und es hieß Abschied nehmen von Kai Erichsen, der aus privaten Gründen zurück nach Schwerin musste. Gemeinsam mit Rainer Heinrich, Isa und Jürgen Kitta nahmen wir am Meisterschaftsdinner teil. Nach der Siegerehrung verwandelte sich das Hafengelände in eine Feier-Arena mit einem ebenso hervorragenden wie reichlichen Buffet und Livemusik der Parchimer Band „Hot Rod“.
Bevor es am nächsten Tag auf den Rückweg ging, folgte die Einladung zum 19. Plauer Opticup 2024. Doch zunächst einmal stehen noch vier Regatten im Kalender 2023 – davon die Internationale Deutsche Meisterschaft der ILCA 6 und 7 in Röbel/Müritz mit Internationaler Jury aus Dänemark, Österreich, Ungarn und Deutschland.
Jörn-Christoph Jansen