Von Carsten Jansen

Warnemünde hat für den passionierten Regattasegler eine besondere Aura. Denn hier trifft man als gelernter DDR-Bürger auf die Sehnsucht in die Ferne. Heute alles erreichbar, aber der Blick in die Weite, in die Ferne, ist eben immer noch etwas Besonderes. Man trifft hier auf das internationale Flair der Regattasegler, Erinnerungen an die damaligen Ostseeregatten kommen auf, man trifft auf langjährige Partner bei der Organisation, wobei der ein oder andere nicht mehr dabei sein kann oder dabei ist. So ist es bei den Ehrenamtlern, die solange sie wollen und können, gerne etwas von dem zurückgeben, was sie aus dem Segelsport in ihrer aktiven Zeit bekommen haben. Diese Spezies sind eine aussterbende Art; in unserer schnelllebigen Zeit gibt es andere Werte und Egoismen nehmen zu.

Wir stehen als Co-Ausrichter in einer Reihe gleichberechtigt mit dem Warnemünder Segel-Club e.V., dem Akademischen Segelverein Warnemünde e.V., dem Hamburger Segel-Club e.V., dem Joersfelder Segel-Club e.V., dem Kongelig Dansk Yachtclub, dem Yachtclub Berlin-Grünau e..V., dem Yachtclub Bitterfeld e.V. und dem Yachtclub Strelasund e. V.. Das sollte uns mit Stolz erfüllen und Ziele setzen, die man mit Ehrgeiz verfolgen sollte.

Hier in Warnemünde wurde also 2012 der WVG 1928 e.V., höchstselbst von dem damaligen PRO und Deutschlands Regelguru Nr.1 Ulli Finckh angeworben und als   Wettfahrtkomitee ins kalte Wasser geschmissen. Davon profitiert unser Verein bis heute noch, was die Qualität und Durchführung der Regatten wie auch die Entwicklung des Equipments betrifft. Auf Grund der Anforderungen haben wir, wollten wir, mussten wir uns qualifizieren, haben uns weitergebildet und unsere Lizenzen erworben und die nötigen Lizenzverlängerungen erwirkt.

In diesem Jahr haben wir nun erstmals seit zwölf Jahren kein Wettfahrtkomitee gestellt, aber es stand das Angebot für ALLE in anderen und eben auch internationalen Wettfahrtkomitees mithelfen zu können. Ja, unser Manko besteht auch darin, dass wir keine internationalen Lizenzen haben. Da drängen natürlich andere erfahrene Wettfahrtleiter samt Crews aus Deutschland aber eben auch Dänemark rein. Das muss man verstehen, denn wir befinden uns in Konkurrenz zu den anderen Segelgroßveranstaltungen in Deutschland und da kann es nicht schaden, wenn die Seeteams von hochqualifizierten Wettfahrtkomitees angeleitet werden. Unsere Performance auf See war sicherlich ok, so das Urteil der Aktiven. Wir haben von Helfern, die wir integriert haben viel dazu gelernt, wie auch von den Dänen. Eigentlich wollte ich alles in einer Schulung mal rüberbringen, aber die Nachfrage war nicht entsprechend. Von dem Angebot des Mitwirkens haben dann einige – leider nicht alle – Gebrauch gemacht. Vor allen Dingen Nicht-WVG-Mitglieder haben sich einteilen lassen, wie Alexander Brix, Thomas Karstens und Stefan Riebe. Einige unserer Sportfreunde haben leider aus verschiedenen Gründen ihre Zusagen zurückgezogen bzw. mussten aus beruflichen Gründen absagen. Es wäre schön, wenn sie im nächsten Jahr wieder zur Verfügung stehen würden.

So waren dann aktiv dabei Jörn-Christoph als Chairman der Internationalen Jury (17 Schiedsrichter aus 10 Nationen), Flint, Thomas und Stefan Riebe bei den Zoom 8 Weltmeisterschaften im dänischen Wettfahrtkomitee von Peter Lübeck (IRO, DEN), Tobias auf den Seebahnen, ich in der sogenannten „Lage“, Monika und Susanne im Verpflegungsbeutelteam für die Helfer, Wettfahrkomitees und die Jury, und dann ab 11:00 Uhr bis meistens ca. 21:00 Uhr mit Isa und Gerhard Prestin (Hockeyspieleraus Güstrow) im Bierwagen auf der Hohen Düne.

Das waren dann zehn intensive Tage. Die Verpflegungscrew steht um 05:00 Uhr auf und schmiert Brote bzw. packt die Verpflegungsbeutel für die Genannten bis gegen 08:00 Uhr. Die Wettfahrtkomitees gehen in der Regel nach der Lagebesprechung und den sich anschließenden Teambesprechungen gegen 09:00 Uhr raus auf See. Wenn alles gut läuft sind sie gegen 16:00 Uhr wieder an Land. Dann werden die Motorboote betankt und es wird am Equipment gebastelt. Die Jury beginnt nach dem Tag auf See mit den Protestverhandlungen, die mitunter auch bis in den frühen Abend andauern. Ab 18:00 Uhr folgt das Abendbrot, danach noch ein Getränk in der Skylounge des WIROtels sponsored by yourself. Tolle Aussicht über Warnemünde. Gegen 22:00 Uhr fallen wir ins Bett.

Ich war in diesem Jahr in der „Lage“ eingeteilt. Die Lage wird durch den Principal Race Officer (PRO) geleitet, ist also das Leitungsteam der Warnemünder Woche. Hier wird in der Regel ab 08:00 Uhr oder auch früher am Morgen mit allen Strukturen der Warnemünder Woche der Tagesablauf durchgesprochen. Dazu gehören die Wasserschutzpolizei, die DLRG, die Bundeswehr, alle Wettfahrtleiter, der Jurychairman und sein Vize, der Veranstaltungsleiter, die Tourismuszentrale der Stadt Rostock (u. a. verantwortlich für die gesamte Quartier- und Organisationsplanung, wie auch PC-Ausstattung, Großbildschirme u. v. a. m.), die Raceoffices, die Scorer (Auswerter), der Bootsobmann (Schlauchboote der Wettfahrtkomitees, der Internationalen Jury, Start- und Zielschiffe, Begleitboote, Medienboote u. a. m.), Presse, Deutscher Wetterdienst (DWD), Warnemünde Traffic, u. a. m. Dann erfolgt in einer Lifeschaltung mit dem DWD in Hamburg das Wettergespräch. Aus diesem resultieren dann u. a. die Bahnbelegungen, Zeitabläufe, Einsatzteams der DLRG, Auslaufen der Klassen, Personalplanungen. Über allem steht immer die Sicherheit der Aktiven und Unterstützer. Es werden Fragen gestellt, besondere Anforderungen, Zeitplanungen der Siegerehrungen und Abendveranstaltungen der Klassen inkl. Preise und Preisübergebende (Honoratioren, Vertreter der Öffentlichkeit) durchgesprochen. Die Funken und weiteres Equipment werden verteilt, Frequenzen werden vergeben, dazu gehören auch die Notruffrequenzen.

Auch hier ist nichts so beständig wie die Änderung. Das erfordert eine hohe Flexibilität der Ehrenamtler. Danach treten dann alle ihren Tagesjob ein. In der Lage laufen ab sofort alle Mitteilungen der genannten Akteure zusammen. Die Kurse liefern ihre Positionen, die Startzeiten und Zieleinläufe der jeweiligen Klassen, Änderungen, besondere Vorkommnisse, Anforderungen an die DLRG oder weitere, aktuelle Wetterentwicklungen werden vom DWD an die Lage und dann an die Bahnen weitergeleitet, Pressefragen oder anderer Interessierter werden beantwortet, organisatorische Dinge müssen abgeklärt werden, die Verbindungen zur Polizei und Warnemünde Traffic werden ständig aktuell gehalten. Alle Signalgebungen an Land werden aus der Lage koordiniert. Dazu werden die täglichen Mitteilungen und erforderlichen Informationen für die Aktiven in das Informationssystem Manage2sail gestellt. Alles wird dokumentiert. Ein Tag, der in der Regel um 07:30 Uhr am Morgen beginnt und gegen 18:00 Uhr oder später nach Protestfrist endet. In der Lage sind in der Regel zwei Personen ständig präsent. Der PRO entscheidet, wer die Kurse begleitet und betreut persönlich Offizielle des Deutschen Seglerverbandes und anderer Sportverbände oder auch in- und ausländische Überdieschulterschauer. Insgesamt ein voller Tag, aber auf dem Wasser ist es allemal schöner, aber auch diese Arbeit muss gemacht werden. Schlimm sind insbesondere Tage, an denen der Wind kein Segeln zulässt. 5 kt Wind sind das absolute Minimum, die ILCAs brauchen 6 kt. Da Maximum sind dann 25 kt. In diesem Jahr haben wir an einem Tag sechs Stunden Startverschiebung gehabt mit stündlicher Zusammenkunft der Lage. Ätzend, weil alle im Standby sein müssen. Handys, WhatsApp und Manage2sail sind die absoluten Kommunikationsebenen. Wie haben wir das bloß früher gemacht? Es ging auch, aber sicherlich mit Defiziten.

Für mich persönlich war es ein 10-tägiger Trennungsurlaub von meiner Frau. So wenig haben wir uns in diesen Tagen gesehen. Sie war etwas skeptisch ob ihres Gesundheitszustandes, wollte sich aber nicht ausschließen, denn das Leben geht schließlich weiter. So ist es und sie hat es auch gut und mit viel Freude und Spaß überstanden.

Jörn-Christoph arbeitet, wie schon in vorherigen Berichten dargestellt, in der Internationalen Jury schon seit 2009 und ist seit 2016 Chairman der Internationalen Jury mit in diesem Jahr 17 Jurymitgliedern aus 10 Nationen. Ein über das Jahr in der Vorbereitung sehr zeitintensiver Job. Dazu gehört auch die Mitarbeit im Organisationskomitee, die rechtliche Beratung und die Erstellung der Ausschreibung und Segelanweisungen. Im Vorfeld hatten wir uns über das Jahr zu mehreren Videokonferenzen und in einem Face-to-Face-Meeting getroffen.

Flint hat seine Tätigkeit mit Thomas als PinEnd eingestellt und sein gesamtes Equipment an den Warnemünder Segelverein übergeben. Beide wollen aber perspektivisch weiter für die Warnemünder Woche im Rahmen ihrer Möglichkeiten arbeiten. Danke an euch für das über Jahre zuverlässige Engagement.

Fazit:

Es war wieder mal eine anstrengende aber schöne Woche. Die große Familie der Helfer steht ihre Frau oder Mann.

Für die Zukunft muss sich auch unser Verein erklären: Wie weiter? Es gibt zwar einen Beschluss, dass wir die Warnemünder Woche unterstützen wollen, aber dazu gehören auch mehr aktive Unterstützer. Ich bin nun frühzeitiger als Wettfahrtleiter in Warnemünde ausgeschieden als geplant. Ich hatte schon einen Nachfolger avisiert, aber ich bin von der Zeit überholt worden. Wenn unser Verein perspektivisch auf diese Bühne zurückwill, muss es kurzfristig passieren mit einem tollen Team. In einem Verein mit ca. 120 erwachsenen Mitgliedern müssen sich mehr als acht Personen finden, die sich qualifizieren wollen und sich diesem positiven Stress und damit der Unterstützung des Segelsports stellen. Denn hier kann man täglich lernen, nützliche Erfahrungen sammeln, Freunde finden, Netzwerke bilden und alles für unseren schönen Sport geben!

Momentan spüre ich nicht, dass dieses Thema der Entwicklung von Wettfahrtleitern, Schiedsrichtern und Helfern der Wettfahrtkomitees seewärts in unserem Verein so richtig ernst genommen wird. Einige der jetzigen Qualifizierten und damit Berechtigten werden in den nächsten Jahren ausscheiden. Da muss mehr Nachwuchsarbeit gemacht werden, um diese dann zu ersetzen. Auch dieses Feld muss intensiv beackert werden. Willige gab es schon mal mehr, warum haben diese sich wieder von den eingeschlagenen Wegen entfernt? Perspektivisch hieße das, dass wir uns Fremdkapazitäten einkaufen müssen, falls wir weiterhin niveauvolle Ranglistenregatten durchführen wollen. Vielleicht thematisch nicht passend zu diesem Artikel…. oder doch? Da sind Diskussionen um Anmeldeorte für Ranglistenregatten  so überflüssig wie ein Kropf und nicht zielführend. Da ist man, frau – ich und andere – manchmal sprachlos und es stellt sich die Frage: Wozu haben wir eigentlich das Jugendhaus gebaut?

Goode Wind!
Carsten Jansen