Röbel/Müritz: WVG mit Dr. Jörn-Christoph Jansen und Jürgen Kitta in der Jury sowie mit Carsten Jansen im Wettfahrtkomitee vertreten
Noch bevor auf dem Inselsee Nebelbeil und Nebelwelle stattfanden, war ich zum letzten Saisonhighlight auf der Müritz eingeladen. Der Aktualität um unsere heimischen Regatten ist jetzt dieser verspätete Bericht geschuldet.
Die Einladung des Röbeler Segler-Vereins „Müritz“ e. V. (RSVM) stammte vom Oktober letzten Jahres. Der uns in Güstrow bestens bekannte Piratensegler Heino Leja fragte mich, ob ich für die IDM ILCA‑Dinghy 2023 ein Protestkomitee zusammenstellen könnte. Gerade hatte ich die IDM ILCA in Greifswald geschiedst und sagte zu, obwohl die Erfahrungen dort nicht die besten waren. Das lag aber weniger am Veranstalter und mehr an einigen Trainern. Deshalb schlug ich nun auch eine Internationale Jury vor, die bekanntlich nicht revisionsfähig ist. Der RSVM fand die Idee gut und war einverstanden.
Der ILCA Dinghy 6 ist für Frauen und der ILCA Dinghy 7 für Männer olympisch. 2022 in Greifswald hatten 134 Boote – auch aus Brasilien und der Ukraine – teilgenommen.
Weil es trotz aller Internationalität eine deutsche Meisterschaft ist, war es mein Ziel, eine deutschsprachige Internationale Jury zusammenzustellen, die jederzeit auf Deutsch und Englisch verhandeln könnte. Nach ein paar E-Mails stand das Team mit Vice Chair Jens Villumsen (IJ, DEN), Günter Fossler (IJ, AUT), Dr. Rainer Kornfeld (IJ, AUT), Vilmos Náray (IJ, HUN), Jürgen Felix Kitta (RJ, Wassersport-Verein-Güstrow 1928 e. V. und Warnemünder Segel-Club e. V.) und mir. Weil Jens viele Jahre in Deutschland und Vilmos noch länger in Österreich gelebt haben, sprechen beide fließend deutsch – Vilmos sogar mit österreichischem Dialekt. Wichtig war mir, Schiedsrichter zu gewinnen, die mit großen Startfeldern der ILCA Dinghys bereits Erfahrungen – u. a. beim Europa Cup in Warnemünde – gesammelt hatten.
Günter Fossler war mir im Übrigen nicht nur vom IJ-Seminar in Gdansk bekannt, sondern auch aus der Piratenszene. Das wohl bis heute erfolgreichste Piratenduo Österreichs bildete er gemeinsam mit Walter Schaschl vom Wiener Yacht Club. Schaschl / Fossler nahmen 2010 auch am Silbernen Beil teil. 2019 bestanden Günter und ich das IJ-Seminar. 2021 wurde er zum International Judge von World Sailing ernannt.
Erst 2022 hatte der RSVM über zwei Wochen hinweg die Europameisterschaften der Europe Masters und im Anschluss der Europe Youth veranstaltet. Heino Leja und Dirk Köhn sind also nicht nur wegen dieser beiden Europameisterschaften sehr erfahren. Auch zur Piraten EM 2017 und zur IDM 2020, zur IDM Finn-Dinghy 2021 und zu den Shark24 Worlds 2019, um nur einige zu nennen, durften sie ihr Können schon unter Beweis stellen. Für mich selbst war es das siebte Mal seit 2012, dass ich nach Röbel zum RSVM fahren durfte. Immer ist es dort sehr heimisch. Obwohl man sich ein Jahr gar nicht sieht und hört, begrüßen einen dort alle mit Vornamen und haben uns offenbar in – hoffentlich – guter Erinnerung.
Von einem dienstlichen Termin in Straßburg/Uckermark fuhr ich nach Röbel/Müritz. Da wir im „Pizza & Pension Del Porto“ untergebracht waren, fuhr ich direkt dorthin. Wie ich es nicht anders erwartete, hatte Jens Villumsen schon eingecheckt. Weniger als fünf Minuten nach mir traf auch Jürgen Kitta ein. Nach dem Check-In in der Pension fuhren wir zum RSVM.
Direkt auf dem Parkplatz vor dem Verein traf mein Vater gerade ein. Wie schon 2022 bei den doppelten Europameisterschaft der Europes würde er mit Bernd Mau das Pinnend übernehmen und Teil des Wettfahrtkomitees sein.
Unsere AUT/HUN-Fraktion war als Fahrgemeinschaft unterwegs. Vilmos Náray war morgens in Budapest losgefahren und sammelte um 8:00 Uhr Günter Fossler und Dr. Rainer Kornfeld in Wien ein. Jens wartete bereits vor dem Juryraum, als wenn er dort seit 2022 gesessen hätte. Nachdem wir die Juryboote ausgerüstet hatten und während wir noch dabei waren, den Juryraum einzurichten, trafen auch die Kollegen schon pünktlich ein. Ein solches Wiedersehen ist immer sehr herzlich – Günter hatte ich zuletzt in Gdansk 2019 gesehen. Wir aßen im Regattahaus zu Abend, wie im Übrigen auch Bernd Mau, mein Vater und so einige andere. Der restliche Abend war kurz, denn die Reise war für viele von uns lang.
Am Samstagmorgen ging es nach dem Frühstück zur ersten Jurybesprechung. Wir verteilten die Aufgaben innerhalb der Jury, besprachen den Kurs, die Verteilung der Boote über die drei Klassen, die jede in einem Start starten würde und besprachen unser Vorgehen am ersten Tag einer solchen Meisterschaft.
Bei der anschließenden Eröffnung sprach der erst im März neu gewählte Bürgermeister Matthias Radtke, bevor Heino Leja die Jury und die anderen Wettfahrtoffiziellen vorstellte. Mit unseren drei Jurybooten in den Paarungen Jansen/Fossler, Náray/Kornfeld und Villumsen/Kitta ging es anschließend auf die Müritz.
In den folgenden drei mal drei Wettfahrten vergaben wir insgesamt acht gelbe Flaggen, davon zweimal an dasselbe Boot – einmal sogar innerhalb von acht Minuten an denselben Teilnehmer. Bei einer Teilnehmerzahl von 135 Booten sind acht Flaggen in neun Wettfahrten ein geringer Wert. Am Abend folgte für uns ein Protest, die Klassenregeln betreffend. Was war passiert? Ein Teilnehmer wurde auf dem Wasser kontrolliert und seine Ruderanlage ließ sich ohne Kraftaufwand einfach lösen. Der Protest endete mit einer Ermessensstrafe von 25 % für den Teilnehmer.
Anschließend gab es für uns noch Pasta aus der Happy Hour, sodass wir auch kein Abendessen mehr brauchten. Der Abend klang bei dem einen oder anderen Getränk am Bierwagen aus.
Ohne Skippers Meeting und mit mehr Wind ging es am Sonntag wieder auf die Müritz. Die Paarungen in den drei Jurybooten lauteten Jansen/Villumsen, Fossler/Náray und Kornfeld/Kitta. Weil mehr Wind war und die Teilnehmer nun mehr Kraft für die Wettfahrten benötigten, erwarteten wir weniger gelbe Flaggen. Doch aufgrund des nachlassenden Windes in der zweiten und dritten Tageswettfahrt vergaben wir doch insgesamt zehn Strafen. Bei den ILCA 7 fuhr Philipp Buhl, Weltmeister 2020, bereits im gelben Trikot und bei den ILCA 6 Damen hatte Julia Buesselberg (Berlin) gar die Idealpunktzahl von 5.0 nach 6 Wettfahrten. Lediglich bei den ILCA 6 sollte es spannend werden.
Am Abend beschäftige uns wieder das Technische Komitee mit einem Protest aufgrund der Klassenregeln. Bei der Kontrollen auf dem Wasser fehlte bei einem Teilnehmer die Mastsicherung. Auch dieser Protest endete mit einer Ermessensstrafe von 25 % für den Teilnehmer.
Während wir uns der Pute, die es zum Abendessen gab, widmeten, wunderten wir uns, dass es nach zwei Tagen und unzähligen Begegnungen von Booten bisher keinen einzigen Protest Boot gegen Boot gegeben hatte. Vor einem Jahr in Greifswald war das noch ganz anders.
Am Montag, dem dritten Tag der Meisterschaft, ging es in den Paarungen Jansen/Kornfeld, Fossler/Villumsen und Náray/Kitta auf die Müritz. Mit nun deutlich mehr Wind gab es nur noch vier Flaggen für vier verschiedene Boote. Viele Teilnehmer kämpften mehr mit den Bedingungen als mit der Konkurrenz. Bemerkenswert war die erste Tageswettfahrt der ILCA 7 (Wettfahrt Nr. 7), in der die dänischen Segler die Plätze 1, 3 und 4 belegten. Weil ein US-Segler Platz 2 erreichte, war der beste Deutsche nur auf Platz 5 – Philipp Buhl, der übrigens für den Segelclub Alpsee Immenstadt e. V. startete, war es nicht. Er ersegelte mit Platz 18 sein Streichergebnis nach 3, 2, 1, 4, 1, 1 in den ersten sechs Wettfahrten zuvor.
Hatten wir uns am Tag zuvor noch gewundert, dass es keine Protest Boot gegen Boot gab, ändert sich das nun. Vier Proteste erreichten uns, wobei jeweils zwei zusammen verhandelt werden konnten. Die zuvor angesetzte Schlichtung (Arbitration) war erfolglos. Die vier Proteste drehten sich alle um WR 18 (Bahnmarken-Raum). Jeweils zwei Zeugen mussten angehört werden und jede Anhörung dauerte deshalb fast eine Stunde – wir kamen viel zu spät zum Buffet. Der RSVM fuhr allerdings so reichlich mithilfe seines Caterers auf, dass wir immer noch zu wenig Zeit und Hunger hatten, um alles durchzuprobieren. Noch vor dem Abendessen hatten wir den Protestparteien die Ergebnisse der Proteste bekannt gegeben. Zwei Proteste waren ungültig und je einer der Proteste endete mit einer Disqualifikation für eine der Parteien – einmal auch für den Protestführer. Nach dem Abendessen ging es nochmal ins Büro, um alle Sachverhalte, Schlussfolgerungen und Entscheidungen der vier Fälle sauber aufzuschreiben.
Am letzten Tag der Meisterschaft begann alles eine Stunde früher und wir checkten gleich morgens aus der Pension aus und verstauten unser Gepäck schon in den Autos. Mit den Paarungen Jansen/Náray, Kornfeld/Villumsen und Fossler/Kitta ging es noch mal auf die Müritz bei leichtem Regen. Während die ILCA 6 insgesamt 5 Startversuche – davon vier unter „Black Flag“ – benötigten, ging alles andere reibungslos. Für uns war es beinahe langweilig. Die Teilnehmer blieben erfreulicherweise fair und wir vergaben nur noch eine gelbe Flagge. Auch etwaige Match Races, die wir um die Medaillen erwarteten, blieben – anders als 2022 – aus.
Mit der elften Wettfahrt wurde die maximale Anzahl geschafft. Wind war eben über die Woche reichlich vorhanden, wenn auch nicht immer im Starkwindbereich. Bei den ILCA 6w setzte sich Julia Buesselberg (Berlin) gegen die Vorjahressiegerin Pia Kuhlmann (Steinhude) und Hannah Anderssohn (Warnemünde) durch. Gerade am letzten Tag bei viel Wind konnte Hannah Andersson mit zwei ersten Plätzen zeigen, was sie kann. Bei den ILCA 6m gewann mit Franz Lasch (Berlin) ein weiterer VSaW-Segler vor Paul Ulrich (Zwischenahn) und Christoph Wurm (Augsburg). Bei den ILCA 7 setzte sich mit Philipp Buhl der Favorit vor dem US-Segler Daniel Escudero und Julian Hoffmann (Berlin) durch. Titelverteidiger Nik Aaron Wilm (NRV) fehlte übrigens krankheitsbedingt.
Eine letzte Anhörung zu einem Antrag auf Wiedergutmachung ließ uns alle im Juryraum nochmals zusammenkommen. Der Segler behauptete, zu Unrecht unter „Black Flag“ disqualifiziert worden zu sein, aber Wettfahrtleiter Heino Leja konnte mit Audiotape alles widerlegen. Nachdem wir den Antrag deshalb abgelehnt hatten, ging es um 16:00 Uhr für die Fahrgemeinschaft aus Österreich und Ungarn auf den Heimweg über Wien nach Budapest. Um ca. 1:30 Uhr waren die beiden Österreicher in Wien und drei Stunden später war auch Vilmos in Budapest.
Jens fuhr am Mittwochmorgen via Rostock-Gedser nach Kopenhagen zur Ehrung eines guten Freundes in seinem Seglerverband, ehe er sich Donnerstag via Gedser-Rostock zurück auf den Weg nach Güstrow machte, wo er bei Nebelbeil und Nebelwelle am Wochenende Mitglied des Protestkomitees war.
Fast schon traditionell könnte es auch im kommenden Jahr ein paar Tage auf der Müritz geben. Der Röbeler Segler-Verein „Müritz“ e. V. ist im September 2024 Gastgeber der Internationalen Deutschen Meisterschaft der O-Jollen. Heino hat schon angefragt und ich hab sehr gerne zugesagt, denn Röbel und der RSVM sind jedes Jahr eine Reise wert.
Jörn-Christoph Jansen