Dr. Jörn-Christoph Jansen unterwegs als Internationaler Schiedsrichter
Während der Wassersport-Verein-Güstrow 1928 e. V. erst in fünf Jahren seinen 100. Geburtstag feiern wird, steht dieses Jubiläum für die Sundby Sejlforening (SSF) bereits in diesem Jahr an. Der 1923 entstandene Verein feiert seine Gründung mit zahlreichen Regatten, u. a. auch mit der Yngling Weltmeisterschaft.
Karl Petter Haugen, einer von vier Internationalen Schiedsrichtern Norwegens, empfahl mich im Oktober 2022 dem SSF, der mich einlud, Ende Juli 2023 bei der WM dabei zu sein. Ohne viel zu überlegen, sagte ich zu und hoffte, dass das auch mit der Urlaubsplanung zusammenpassen würde.
Wie der WVG auch, hat der Segelverein Sejlforening (dt. Segelverein Sundby) eine lange und traditionsreiche Geschichte, die hier nur in wenigen Zeilen wiedergegeben werden soll. An einem Septemberabend im Jahr 1923 traf sich eine kleine Gruppe Männer in einem Kleingartenhaus in Amager. Sie wollten einen Verein gründen, um gültige Vereinbarungen mit den Behörden über die Mündung eines Entwässerungskanals treffen zu können, der in das flache Militärgebiet an der Nordostküste von Amager mündet. Sie hatten ihr kleines Beiboot schon seit längerem hier liegen lassen, doch jetzt wollten sie noch die Formalitäten regeln. Am Sonntag, den 28. Oktober 1923, hielt das „Baadelaget Saltholm“ seine Gründungshauptversammlung ab. Heute ist die Sundby Sejlforening ein großer Segelclub mit 310 Liegeplätzen und 1.000 Mitgliedern. Der SSF ist Mitglied des Dänischen Segelverbandes und dem Dänischen Sportverband angeschlossen. Seit 2003 ist der SSF als „Jugendfreundlicher Segelclub“ und seine Segelschule seit 2019 vom dänischen Segelverband zertifiziert.
1983 feierte der SSF sein 60-jähriges Bestehen mit der Ausrichtung der Yngling-Weltmeisterschaft und 75 teilnehmenden Booten. Nach nunmehr 40 Jahren kehren die Ynglinge zur erneuten Ausrichtung der Weltmeisterschaft anlässlich des 100-jährigen Jubiläums zurück.
Die Yngling ist eine Segelyacht, die 1967 vom Norweger Jan Herman Linge, als Ergänzung zur damals olympischen Segelyacht Soling, konstruiert wurde. Der Name ist vom norwegischen Wort für Jüngling abgeleitet – Linge entwarf das Boot für seinen damals jugendlichen Sohn. Dank der in den strengen Klassenvorschriften (Einheitsklasse) reglementierten Einheitlichkeit, die vom Weltsegelverband ‚World Sailing‘ überwacht wird, konnte eine Materialschlacht verhindert werden. Bei Weltmeisterschaften findet man neue und alte Boote auf den vordersten Rängen. So segelte der Weltmeister des Jahres 2000 mit einem 1971 gebauten Schiff. Seit 1991 werden die neuen Boote mit Doppelboden und Selbstlenzern gebaut. Das Schiff kann selbst unter Spinnaker von zwei Personen sicher und leicht geführt werden. Für internationale Wettbewerbe schreiben die Klassenvorschriften eine Drei-Personen-Crew vor.
Im November 2000 wurde die Yngling-Klasse von der ISAF (heute ‚World Sailing‘) als Olympische Damen-Kielbootklasse für die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen gewählt. Dies bedeutete, dass insgesamt 15 Damenteams zur Regatta in Athen zugelassen wurden. Die Startplätze wurden in Welt- und Europameisterschaften vergeben; es konnte nur ein Team pro Land starten. Bei den Olympischen Sommerspielen 2008 belegte das deutsche Damenteam Ulrike Schümann/Ute Höpfner/Julia Bleck, Vize-Weltmeister 2006, den vierten Rang. Für die Olympischen Spiele 2012 wurde die Yngling durch die Elliott 6m abgelöst.
Nach Zoom8 und H-Booten 2021 sollte die Yngling WM nun schon meine dritte Weltmeisterschaft in Dänemark in kurzer Zeit sein. Zudem war ich erst im April zur Zoom8 EM ebenfalls in Dänemark. Aufgrund meiner dänischen Großmutter ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass ich hierher eine besondere Verbindung habe.
Meine Reise begann am Montag, 24. Juli mit viel zu viel Gepäck und per Auto und Fähre via Rostock und Gedser nach Kopenhagen. Sundby ist ein Stadtteil am Amager in Kopenhagen. Ich erreichte Sundby kurz nach 13 Uhr. Mein Weg führte mich dabei zunächst ins Hotel, das sich als ein Go‑Hotel für Jugendliche mit wirklich sehr kleinen Zimmern herausstellen sollte. Da man ohnehin nur zum Schlafen und Duschen während solcher Veranstaltungen im Hotel ist, ist das auch völlig okay. Frühstück gab es im SSF mit Seglern und Helfern gemeinsam, wie ich bald erfahren sollte.
Nach dem Check-In und einem kurzen beruflichen Mailupdate fuhr ich in den SSF, wo mich das Juryteam, bestehend aus Karl Petter Haugen (IJ, Norwegen, Chairman), Jens Villumsen (IJ, DEN) und Sven Solgaard Andersen (NJ, DEN) bereits erwartete. Kurz nach mir kam auch Anders Rydlöv (NJ, SWE) an, der aus Malmö mit dem Zug und Fahrrad – ein Rennrad – zum SSF gefahren kam. Sven und Anders kannte ich noch nicht, aber mit Jens und Karl Petter hatte ich schon diverse Regatten in Warnemünde, Schwerin, Röbel/Müritz und in Dänemark geschiedst.
Bevor wir unser erstes Jurymeeting haben sollten, versorgte mich Jesper Lorents, Chef des Organisationskomitees, mit Eventkleidung und einer dänischen Motorbootlizenz, die ich aufgrund meiner deutschen Lizenz vom Dänischen Segelverband bekam und für die Gewässer hier benötigen würde. Ich übergab Jesper Lorents einen Vereinsstander des WVG, der zunächst am Tresen, aber bald im Klubhaus hängen sollte.
Nach einer ausführlichen ersten Besprechung der Segelanweisungen und der anstehenden Tage im ersten Jurymeeting, ging es zur Eröffnung und anschließend gab es Burger vom Grill für alle.
Direkt nach dem Frühstück am nächsten Morgen folgte das Skippers Meeting mit der Vorstellung des Juryteams. Für den ersten Tag waren direkt drei Wettfahrten vorgesehen und ich bildete ein Team mit Sven Solgaard Andersen (NJ, DEN). Da auf dem Øresund vor Saltholm gesegelt werden sollte, brauchten die Segler eine Stunde für die Anfahrt. Auch wir würden 20-30 min benötigen.
Wettfahrtleiter Christian Lerche, International Race Officer und Direktor des Dänischen Seglerverbandes, konnte 48 Teams aus 8 Nationen an der Startlinie begrüßen. Die Favoriten kamen aus den Niederlanden. Seit Jahren dominieren sie die Weltmeisterschaften, wie Karl Petter Haugen zu berichten wusste, der selbst jahrelang Yngling segelte, u. a. 2014 die WM in Travemünde, und sich gerade ein „neues“ gebrauchtes Boot aus Schweden gekauft hat. Neben den Niederlanden waren Teams aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA am Start.
Der zweite Startversuch jeder Wettfahrt des Tages klappte gut und Sven und ich vergaben nur eine gelbe Flagge an ein junges Team aus den Niederlanden, das von uns anschließend die Klassenregeln erklärt bekam. Die Klassenregeln haben zwar WR 42 modifiziert, erlauben aber nicht alles.
Ralf Teichmann/Jos Vaes/Theresa Neu aus Deutschland setzten mit den Plätzen 1, 1, 9 bei 15-18 Knoten Wind ein wirkliches Ausrufezeichen. Die Norweger Joakim Skovly/Eirik Hernanger/Stian Soltvedt waren allerdings mit der Serie 4, 5, 2 punktgleich. Die Titelverteidiger Maarten Jamin/Jaap Smolders/Cristel Pessers führten allerdings nur deshalb nicht, weil sie sich einen UFD in Wettfahrt eins leisteten; dazu einen 8. und einen 1. Platz ersegelten. Nach drei von insgesamt 10 geplanten Wettfahrten war es jedoch noch zu früh, an die Gesamtwertung zu denken.
Schon am Dienstag folgte der erste von zwei Nationenabenden. Verantwortlich waren Dänemark, Norwegen, Schweden und die USA gleichermaßen. Bevor es so weit sein sollte, hatten wir einen recht komplizierten Protest mit Antrag auf Wiedergutmachung zu entscheiden. Am Ende wurde der Protestführer selbst disqualifiziert. Dazu gab es natürlich keine Wiedergutmachung. Der Protestgegner hatte auf dem Wasser eine Strafdrehung angenommen und war so einer Disqualifikation entgangen. Da sieht man, wozu das gut ist.
Auch am Mittwoch waren drei Wettfahrten geplant. Gemeinsam mit Anders Rydlöv (NJ, SWE) schiedste ich dieses Mal und lernte, dass Anders mit seinen 70 Jahren schon beinahe alles gesegelt ist, natürlich auch Yngling. Die sieben Jahrzehnte sieht man Anders nicht an und bemerkt sie auch nicht.
Nach drei Wettfahrten bei 14-18 Knoten, die nun alle unter U-Flagge gestartet wurden, wurde es an der Spitze verdammt eng. Die Lokalmatadoren und dänischen Meister Marc Wain-Pedersen/Michael Empacher/Kristian Schaldemose legten mit 8, 2, 1 eine gute Serie hin. Tagessieger wurden allerdings die Österreicher Joerg Moser/Michael Gubi/Michael Nake mit den Plätzen 2, 5, 2. Am Tag zuvor hatten sie 18, 2, 4 ersegelt. Auch die Norweger Skovly/Hernanger/Soltvedt blieben mit 7, 4, 4 ebenso oben dabei wie die Deutschen Teichmann/Vaes/Neu mit 3, 8, 3. Bei noch vier ausstehenden Wettfahrten hatten noch alle vier Teams alle Chancen. Auch die Titelverteidiger konnten sich noch Medaillenhoffnungen machen.
Nach einem etwas einfacheren Protest fand am Abend das Regattadinner im Eventzelt statt. Es war beinahe unglaublich, was die Dänen alles an Essen aufgefahren haben. Schön zu sehen war, wie diszipliniert sich alle am Buffet verhalten haben.
Am Donnerstag fand der planmäßig freie Tag statt. Da die Weltmeisterschaft ab fünf gesegelten Wettfahrten schon gültig war, gab es keinen Bedarf den Ersatztag zu nutzen. Ich fuhr mit Sven Solgaard Andersen zum Königlich Dänischen Yachtclub, dem größten und ältesten Segelverein Dänemarks mit dem Hauptsitz in Tuborg Havnepark, Hellerup (Kopenhagen). Auf den ersten Blick erinnert nichts mehr daran, dass hier einmal die Brauerei Tuborg stand. Allerdings zieren die Hafeneinfahrt zwei Bierflaschen – Tuborg rot und grün.
Beim KDY war ich mit Peter Lübeck (IRO, DEN) verabredet, der bei der Warnemünder Woche Wettfahrtleiter ist. Gemeinsam wollten wir das Plakat der 86. Warnemünder Woche 2024 hier aufhängen. Der KDY ist seit diesem Jahr Partner der WW. Peter Rud Gylden vom KDY begrüßte mich und führte mich durch das gesamte Gebäude. Schließlich hängten wir alle drei gemeinsam das Plakat im Eingangsbereich des KDY auf. Ein kleineres zweites Plakat hängt im Büro.
Außerdem tauschte ich auch hier den Vereinsstander des WVG mit dem des KDY aus. Weil der KDY aber drei Vereinsgebäude in Dänemark hat, übergab ich einen zweiten Stander. Anschließend besuchten Sven Solgaard Andersen und ich auch die anderen beiden Vereinsgebäude in den Häfen von Skovshoved und Rungsted, wo wir den dritten WVG-Stander selbst aufhängten.
Gegenüber vom Hafen in Rungsted hatte ich zur Zoom8 WM 2021 übernachtet – die Welt ist klein. Ich hatte nicht erwartet, so schnell mal wieder dort zu sein. Zurück in Sundby hatten wir einen freien Nachmittag und trafen uns abends zum Abendessen.
Am Freitag sah schon die Vorhersage nicht gut aus und es kam wie es kommen musste, schon zum Frühstück wurde der Start mangels Windes um zwei Stunden auf 13 Uhr verschoben. Wir nutzten die Wartezeit für ein Fallseminar mit zahlreichen komplizierten und weniger komplizierten Fällen, die wir einzeln aufschlüsselten – Schiedsrichter aus vier Nationen haben erstaunlich viele Fälle. Weil der Start immer wieder verschoben wurde, hatten wir auch immer mehr Zeit. Am Ende stellte ich fest, dass ich nun noch mehr Fälle für Seminare haben werde und reichlich Diskussionsstoff. Um 16 Uhr beendete schließlich auch Wettfahrtleiter Christian Lerche die Wartezeit und auch wir hatten Feierabend. Zum zweiten Nationenabend mit den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen wir uns im großen Festzelt wieder. Dort wurden nicht nur nationentypische kleine Köstlichkeiten angeboten, sondern auch reichlich landestypische Getränke.
So spät der Abend auch endete, standen am nächsten Morgen nach dem Frühstück doch ein Skippersmeetings um 08:30 Uhr und drei Wettfahrten an. Jens Villumsen (IJ, DEN) und ich bildeten ein Team und wurden schon in der ersten Tageswettfahrt Zeuge eines großen Crashs zwischen einem amerikanischen und einem norwegischen Boot. Das norwegische Boot, das Karl Petter Haugen zuvor gehörte, musste mit einem Loch im Rumpf aufgeben und in den Hafen fahren. Überhaupt schien es hitziger zu werden. Zahlreiche Protestflaggen konnten wir wahrnehmen und es gab noch zwei weitere Crashs. Wir rechneten schon mit mehreren Protesten und einer uns im „Nacken sitzenden“ Siegerehrung.
Die erste Tageswettfahrt gewannen die Weltmeister Jamin/Smolders/Pessers vor den dänischen Lokalmatadoren Wain-Pedersen/Empacher/Schaldemose und den Deutschen Teichmann/Vaes/Neu. Die Österreicher Moser/Gubi/Nake wurden 4. und die Norweger Skovly/Hernanger/Soltvedt 6. Damit war es an der Spitze zwischen Platz eins und fünf so eng, dass jeder noch alles gewinnen oder alles verlieren konnte. Auch in der zweiten Tageswettfahrt waren alle Favoriten unter den Top 7. Es gewannen die Norweger Skovly/Hernanger/Soltvedt, die damit nach 8. Wettfahrten mit den Deutschen Deutschen Teichmann/Vaes/Neu vor der letzten Wettfahrt punktgleich auf Platz zwei und nur drei Punkte hinter den Dänen Wain-Pedersen/Empacher/Schaldemose lagen. In der letzten Wettfahrt setzten fast alle Crews alles auf eine Karte. Dabei verspielten die Dänen Wain-Pedersen/Empacher/Schaldemose mit Platz 11 auch beinahe alles. Den Norwegern Skovly/Hernanger/Soltvedt genügte Platz 3 für den Weltmeistertitel, weil die Deutschen Teichmann/Vaes/Neu zwei Plätze dahinter ins Ziel kamen, was zur Vize-Weltmeisterschaft reichte. Die dänischen Lokalmatadoren Wain-Pedersen/Empacher/Schaldemose ersegelten noch Bronze. Den Österreichern Moser/Gubi/Nake blieb Gesamtplatz vier mit nur drei Punkten Rückstand auf Platz 3 und nur 8 Punkten auf Platz 1. Die niederländischen Weltmeister Jamin/Smolders/Pessers waren entthront und auch die Dominanz der Niederlande ist vorerst gebrochen.
Von den an Land erwarteten Protesten erreichte uns letztlich keiner. Zwar wurde viel diskutiert zwischen den Seglern, aber eingereicht wurde nichts. Für die Jury folgt dann immer sehr schnell der Abschied. Jens Villumsen fuhr per Fähre und Auto zurück Richtung Aarhus. Ihn werde ich zur Internationalen Deutschen Meisterschaft der ILCAs in Röbel/Müritz und zum Nebelbeil bzw. zur Nebelwelle noch wiedersehen. Sven Solgaard Andersen wohnt ohnehin nur 30 Autominuten nördlich von Kopenhagen und der Schwede Anders Rydlöv nahm den Zug Richtung Malmö. Karl Petter Haugen und ich hatten unsere Flüge bzw. Überfahrten erst am Sonntag.
So brachte ich Karl Petter nach einem gemeinsamen Hotelfrühstück zum Flughafen Kopenhagen, von wo er via Oslo nach Bergen fliegen würde. Ich machte mich auf den Weg nach Gedser und überholte eine deutsche Ynglingcrew mit Autokennzeichen für Heilbronn auf der Strecke. Auf dem Weg zur Fähre konnte ich mir schon Gedanken über die nun folgenden Deutschen Meisterschaften der Ixylons und 15er Jollenkreuzer machen. Zwei Tage bleiben zum Aus- und Einpacken.
Jörn-Christoph Jansen